Christlich, denn…

… dieser unser Verein ist nicht gemacht, sondern aus einem seit nunmehr bald zwei Jahrhunderten bestehenden und in brüderlicher Liebe gepflegten Gemeinschaftsleben entstanden. Der Heidelberger Wingolf ist eine christliche Gemeinschaft. Zusammen mit der korporativen und der akademischen bildet die christliche Säule das Fundament des Zusammenlebens in Studium und Alltag. Weniger bedeutet das für uns starres Festhalten an alten Formen und Traditionen, vielmehr streben wir nach einem praktisch gelebten und lebendigen Christentum. Dabei stellen wir an uns selbst den Anspruch, auch nach außen hin zeigen, was es heißt, sich „zu Jesus Christus als dem Herrn seines Lebens zu bekennen“, wie es in unserer Grundordnung heißt. Hierin ähnelt das Verständnis des sog. „Christianums“, d. h. des christlichen Prinzips, dem hinter dem von dem niederländischen Theologen Abraham Kuyper (1837–1920) formulierten Satz stehenden: „Es gibt keinen Quadratzentimeter im ganzen Raum unserer menschlichen Existenz, in Bezug auf den Christus, der Herrscher über das All ist, nicht spricht: ‚Das ist mein!’“. Mit dem Christianum verbinden wir einen lebensbejahenden und hoffnungsfrohen Glauben, der unserer pluralen Gesellschaft offen und selbstbewusst begegnet und nicht nur beim Kirchgang, sondern im ganzen Verbindungsleben praktisch erfahrbar wird. Am deutlichsten wird dies im Wahlspruch unserer Verbindung sichtbar: „ΔI ENOΣ ΠANTA!“ (griech. „Durch Einen [Jesus Christus] Alles“). Dieses an Philipper 4:13 angelehnte Bekenntnis wurde und ist neben der Bergpredigt Jesu die verbindliche Lebensregel aller Wingolfiten. Praktisch ergibt sich für den Verbindungsalltag hieraus z. B. das sog. „Mäßigkeitsprinzip“, demzufolge beim Genuss von alkoholischen Getränken auf das Wahren von Maß und Mitte zu achten ist, sowie die sog. „Stofffreiheit“, derzufolge kein Verbindungsmitglied unter welchen Umständen auch immer zum Alkoholkonsum genötigt werden darf, wie es in anderen Verbindungen durchaus vorkommen kann.

Farbentragend, denn…

… „das ist das Band, das wir erkoren…“ Das blau-weiß-goldene Band, welches wir zu gegebenen Anlässen anlegen, ist äußeres Zeichen unserer inneren Verbundenheit zueinander. Wenn wir unsere sogenannte „Couleur“ tragen, zeigen wir, dass wir als Wingolfiten die Tradition respektieren, die hinter diesem studentischen Brauch steht. Gleichzeitig signalisieren wir die Bereitschaft, das im Studium angelegte Band auch über die Studienzeit hinaus zu tragen, die Verbindung zu Studienkollegen und Bekannten aus dem Studium zu halten, die Freundschaften und Verbundenheiten weiterzuführen und somit den jüngeren Wingolfiten eben dies vorzuleben. Das Tragen der Farben Blau-Weiß-Gold ist also nicht nur Tradition, sondern vielmehr Programm.

Nichtschlagend, denn…

… „wer das Schwert nimmt, der wird durchs Schwert umkommen.“ (Mt 26:52b). Als Wingolfiten des 21. Jahrhunderts sehen wir auf bald zwei Jahrhunderte zurück, in denen niemals eine Auseinandersetzung eines Mitglieds unserer Verbindung mit der Waffe ausgetragen worden ist. Unser Anspruch war und ist, Differenzen mit Kommilitonen sachlich und mit der Wirksamkeit des Wortes auszutragen. Daher lehnen wir das Duell traditionell ab. Dem mit dieser Institution verbundenen Gedanken, die angegriffene Ehre könne durch einen bewaffneten Zweikampf wiederhergestellt werden, stellen wir entgegen, dass die Ehre aus der Würde des Menschen, die ihm als Geschöpf Gottes innewohnt, erwächst. Aus der Perspektive der christlichen Ethik betrachtet ist daher eine nonverbale Auseinandersetzung unter Studenten mehr als nur fragwürdig und in ihrer letzten Konsequenz abzulehnen. Auch die sogenannte „Mensur“, den streng regulierten Zweikampf mit scharfen Waffen und ohne Gesichtsschutz, der von schlagenden Verbindungen als Ritual gepflegt wird, welches die Wehrhaftigkeit und Loyalität der Verbindungsmitglieder zu ihrer Korporation erproben soll, wurde von den ersten Wingolfiten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verworfen. Die künstliche Inszenierung einer Extremsituation, um welche es sich bei der Mensur ja handelt, halten wir für ungeeignet, eine im positiven Sinne tiefere Verbundenheit in der Gruppe oder eine fruchtbare Festigung des Charakters herbeizuführen. Auch lehnen wir das pseudo-elitäre Selbstverständnis, welches in einigen Verbindungen heute noch insbesondere auch über die Mensur transportiert wird, ab. Stattdessen streben wir die Selbstkultivierung eines jeden Mitglieds durch die christlich-korporativ-akademische Gemeinschaft an, welche wir während des Studiums und weit darüber hinaus leben.